Belgs

From: tgpedersen
Message: 60815
Date: 2008-10-11

From Udolph,
Die Stellung der Gewässernamen Polens innerhalb der alteuropäischen
Hydronomie

' 2. Bl/oga.
Dieser etwa 10 km lange Fluß entspringt bei dem Ort Bl/ogie (heute
Bl/o­gie Stare und Bl/ogie Szlacheckie) in Mittelpolen und fließt bei
Kafar von rechts in die Pilica, den linken Nebenfluß der Weichsel.
Urkundliche Belege:
1227 Bloga, 1262 Bloge, 1412 Bloga, Bloga, Bloga1.
An dem Fluß liegen die ONN Bl/ogie Stare und Bl/ogie Szlacheckie, die
in ihren historischen Belegen noch keine Differenzierungen zeigen:
1221 de Blogie, 1234 (K. 13. Jh.) in Bl/ogie, 1237 in Bologue, 1410 de
Blogie, 1412 villam Bl/ogie, Bloge, in Bloge, Bloge, Bloge, Bloge,
Bloge, Bloge, Bloge, 1508 Blogye, Blogye, um 1520 Blogye, 1532 Blogye,
1577 Blogie, mua. bwog´e, -ego, bwog´im, bwusk'e2.
Eine slavische Deutung des Namens ist mir nicht bekannt geworden.
Ob­wohl es sich bei dem Fluß Bl/oga um einen nicht sehr bedeutenden
Nebenfluß der Pilica handelt, hat man an finno-ugrische Herkunft
gedacht. Der Grund dafür lag in einer Beobachtung, die K. Moszyn´ski3
gemacht zu haben glaubte und die von T. Lehr-Spl/awin´ski4
aufgegriffen wurde: es hatte den Anschein, als sollten in demjenigen
geographischen Bereich, in dem Namen, die auf *volg- zurückzuführen
seien (darunter auch der Name der Wolga), *bolg-Na­men fehlen und vice
versa. Mit anderen Worten: es schien so, als ließe sich komplementäre
Verbreitung beider Sippen feststellen. Da man für den Namen der Wolga
finno-ugrische Herkunft für sehr wahrscheinlich hielt, übertrug man
diese Auffassung auch auf den Gewässer- und Ortsnamen Bl/oga bzw. Bl/ogie.
Bevor wir auf diese Frage zurückkommen, ist es notwendig, auf weitere,
z.T. recht sichere Namenparallelen aus dem slavischen Bereich
hinzuweisen. Es handelt sich dabei um Toponyme, die auch schon von
anderer Seite in Ver­bindung mit dem Zufluß zur Pilica und den dort
liegenden ONN gebracht wor­den sind.
a) Bl/ogie, ein Sumpf im ehem. Kreis Radon, 1618 Bl/ogie5.
b) Boloz^ivka, poln. Bol/oz.ewka, russ. Boloz^evka, Flußname im Gebiet
des Horyn', 1890 pri ... Boloz^ovke^; dort auch ON Ukr. Boloz^ivka6.
C. Ukr. Bolozivka, poln. Bl/oz.ewka, Bl/az.ewka, russ. Bloz^evka,
Blaz^evka, Fluß im Gebiet des Strvjaz^, 1398 Blosew7, 1406 cum fluvio,
Blozow dicto, 1423 Blozew, 1447 in fluvio Blozwa, 1470-1480 (Dl/ugosz)
Bloszwya8, 1471 Blozew, 1508 Blozew, 1519 Blozew9. An diesem Fluß
liegen die ONN russ. Blo­zev, poln. Bl/oz.ew Dolna, Bl/oz.ew Górna,
ukr. Bolozva Horišnja, Bolozva Do­lišnja10, 1406 Blozewa, 1439 Blozawy11.
d) Bl/oz.yn, Name eines Sumpfes in Großpolen, 1358 Bl/oz.yn . Es ist
frag­lich, ob dieses Toponym nicht eher mit zahlreichen Ortsnamen wie
Blogotin, Bl/ogowo, Bl/ogoszcz, Bl/ogoszów u.a.m. zu einem der
zahlreichen slav. Per­sonennamen wie z.B. Bl/ogota, Bl/oz., Bl/oz.ek
zu stellen ist und von den unter a) - c) genannten GN. getrennt werden
muß.
Die bisherige Forschung hat den poln. GN Bl/oga von der poln. Sippe um
bl/ogi "selig, glückselig, glücklich", bl/ogos´c´ "Wohlbehagen,
Glückseligkeit" getrennt (zum russ. ON Bologoe, der von M. Vasner mit
dieser Sippe verbun­den wurde (s.u., S. 74f.). M. Kamin´ska hat den
Flußnamen Bl/oga als namen­gebend für die Ortsnamen Bl/ogie Stare und
Bl/ogie Szlacheckie angesehen13 und auf J. Rozwadowski verwiesen, der
jedoch nur in einer Anmerkung auf diese Namen eingegangen ist14.
Wenn man davon ausgeht, daß die genannten poln. und ukr. Namen
mitein­ander verwandt sind, so darf man schließen, daß der poln. Name
die Liqui­dametathese mitgemacht hat und die ukr. Parallelen auf Grund
ihres Voll­lautes ebenfalls einen Ansatz *Bolg- fortsetzen. Der poln.
Name darf wei­terhin auf *Bolg-a zurückgeführt werden, wobei nicht
sicher entschieden werden kann, ob -a- als altes, den Flexionsstamm
bildendes -a- verstanden werden darf, oder durch die im Slavischen
häufige Erscheinung der Beein­flussung durch voda, re^ka erklärt
werden kann. Es ist nicht ausgeschlos­sen, daß beides eingewirkt hat.
In jedem Fall ist der Flußname Bl/oga für den (bzw. die) Ortsnamen
Bl/ogie (stare, szlacheckie) namengebend gewesen; diese allerdings
sind offenbar an poln. bl/ogi "selig, glückselig, glücklich"
angeglichen worden und flektieren adjektivisch (man vergleiche die
mua. Belege auf S. 69). Die ukr. Namen Boloz^ivka bzw.
Bolozivka/Bl/oz.ewka werden mit einiger Wahr­scheinlichkeit ein
sekundäres slavisches Suffix -ka- "enthalten (die Be­lege für den
unter c. genannten Namen zeigen dieses sehr deutlich), so daß zunächst
eine Form *Boloz^ev- erschlossen werden kann. Die Rückführung auf
einen alten *-u-Stamm *Bolgy, —Uve würde die Palatalisierung nicht
er­klären, so daß man weiter gezwungen ist, einen Ansatz *Bolgev-
anzunehmen. Die in den Quellen auftretenden Formen Bloswa, Bloszwya
müßten dann als sekundäre Angleichungen an einen *-u-Stamm angesehen
werden und nicht als ursprüngliche Stanmbildung.
Wenn man die moderne ukr. Lautung ernst nimmt, wird man allerdings vor
das Problem gestellt, was sich hinter dem präsuffixalen Vokal -e-
verber­gen könnte. Sowohl das moderne ukr. -i- in Bolosivka wie auch
-z- in der­selben Form und schließlich auch der frühe Beleg Blozawy
von 1406 lassen meines Erachtens die Rückführung auf einen Ansatz
*Bolge^v- mit -e^- zu. Da­gegen sprechen die polnischen und russischen
Formen mit -z^-/-z.- und die Tatsache, daß ein Suffix *-e^v- weder im
slavischen Wortschatz noch in der Toponymie sicher nachweisbar ist.
Eine Entscheidung ist schwierig, aber unter Berücksichtigung des
zuletzt genannten Arguments und der Tatsache, daß in dem zweiten ukr.
Flußnamen nur -z^- auftritt, sollte man einem Suf­fix -ev- den Vorzug
geben. Die Möglichkeit, auf *-Iv- zu schließen, ist grundsätzlich
nicht auszuschließen, jedoch erschweren die historischen Formen
Bolozivka und Blozow diese Rekonstruktion.
Diese Diskussion zeigt, daß wir kaum einen jungen slavischen Namen vor
uns haben, und es fragt sich, worauf der poln. GN Bl/oga und die
möglicher­weise verwandten ukr. Namen zurückgehen. Wie schon erwähnt
wurde, machen die mutmaßliche Metathese des poln. GN und die
Vollautformen der ukr. Namen einen Ansatz *Bolg- wahrscheinlich. Wenn
man in Anbetracht dessen, daß es sich bei allen Toponymen um Flußnamen
handelt, von einem Zusammenhang mit der slav. Sippe um blago-, bl/ogi,
bologo "glücklich, selig usw." aus semantischen Gründen absehen möchte
und sich kein Anschluß an ein slavisches Wasserwort herstellen läßt,
so wird man gezwungen, nach Ver­gleichsmaterial außerhalb der slav.
Sprachen zu suchen. Dabei legen es die slav. Namen nahe, vor allem der
Hydronymie Aufmerksamkeit zu schen­ken und auf Grund der
Korrespondenzregeln der idg. Sprachen im außerslav. Bereich auf eine
Lautfolge Balg- zu achten.
Bei der Etymologie eines preußischen ON (zu dem noch zurückzukommen
ist) hat G. Gerullis ein mittelnd. Appellativum balge mit der
Bedeutung "Wanne, Vertiefung an der Küste, die auch bei der Ebbe voll
Wasser bleibt" herangezogen15. Es läßt sich jedoch wahrscheinlich
machen, daß in diese Bemerkung zwei Appellativa eingeflossen sind, die
besser betrennt gehal­ten werden:
1. Mittelndt. balge "Wanne" soll aus dem Niederländischen stammen16,
wo es (wie auch engl. bail) als französisches Lehnwort interpretiert
wird. Die Grundbedeutung war wohl "Hälfte einer in der Rundung
durch­sägten Tonne zu verschiedenem Gebrauch", letzten Endes geht es
auf mit-tellat. bacula zurück17.
2. Ein nordseegermanisches Appellativum, das meist kommentarlos mit
dem unter 1. erwähnten balge verbunden wird. Es besitzt eine ganz
andere Bedeutung und ist daher wohl gesondert zu betrachten. Dieses
Wort ist in deutschen Dialekten noch heute lebendig, man vergleiche:
norddt. balge, balje "Bucht hinter einem Sandriff, die kleine
Fahrzeuge als Notreede auf­suchen", "Wassergraben und Stromrille,
welche die ablaufende Ebbe auf den Watten macht", "vom Wasser selbst
gemachte Kanäle"18, ndt. -balje, mittel-ndt. balge, ballige (neben
"Wanne kleinerer Art") "Vertiefung im Watt, die auch bei Ebbe voll
Wasser bleibt und als Fahrwasser dient"19, ost­fries. balge "tiefere
Stelle auf dem Watt, wo das Wasser auch bei der niedrigsten Ebbe nicht
vollständig abläuft"20. Nach W. Laur21 sind Balge "mehr individuelle
Bezeichnungen für Priele vor der Dithmarscher Küste", bei H.
Jellinghaus22 steht balge in der Bedeutung "Mulde, Erdvertiefung", man
vergleiche auch die Angaben bei H. Berghaus23 und im Niedersächsischen
Wörterbuch24.
Dieses Küstenwort ist auch toponymisch nachweisbar, als De dove
Balg25, Kromme Balg, Dorre Balg, Balgsand, Scholbalg in den
Niederlanden26; ein Fahrwasser zwischen Langeoog und Spiekeroog
erscheint 1496 als in der Os­senbalge27, sehr früh überliefert ist der
ON Balge bei Nienburg (der an einem Schleusenkanal, der die Endpunkte
einer großen Wasserschleife der Weser miteinander verbindet, liegt),
schon bei Adam v. Bremen als cortem, quae Balga dicitur, 1179 (K. 13.
Jh.) curtem Baldige usw.28. Weiterhin ver­gleiche man Balje, Baljer
Loch an der Saalemündung29, Süder Balje, Dehrens Balje im
Küstenbereich der Nordsee30 und Balge, den Namen eines im Mittel­alter
schiffbaren Arms der Weser in Bremen31. Ebenfalls hier einzuordnen ist
der abgegangene ON Balum auf Nordstrand (dessen ältesten urkundlichen
Beleg (1298 Balgum32) ich bei W. Laur33 nicht verzeichnet fand), den
die­ser jedoch im Zusammenhang mit mittelndt. balje "Mulde, Rinnsal,
Tief für Einfahrt von Schiffen, tiefe Stelle im Watt" erwähnt hat.
Schließlich ist noch der ON Balje bei Stade zu nennen, etwas
unsicherer ist die Zugehörig­keit von Balgeri34 und Balgstadt35.
Auch im ehemals baltischen Gebiet gibt es einige Namen, die in einem
Zusammenhang mit den poln. und ukrain. Namen und dem
nordseegermanischen Appellativum gehören könnten. Man vergleiche:
1. Balga, dt. Balge, Balger Tief, poln. Cies´nina balgijska, Name
eines Teils des Frischen Haffs, 1399 dy flote us der Balge kome, adir
us der Balge zigelt, 1402 segeln in die Balge, 1405 in der Balge, us
der Balge, 1409 in der Balge gevallen, in der Balye, 1410 von der
Wysle und Balge, 1435 in der Balge, 1436 Balgisches Wasser, 1456 das
tiffe die Balge, lie­gen der Balge über, 1466 Nerige usque in
Profundam36, 1482 von des tiefin wegen in der Balge, 1494 ut portum
profundi, vulgo Balge diatum, 1509 we­gen des tiffes ynner Balge37.
An der Küste des Frischen Haffs - in der Nähe des Balger Tiefs - lag
der Ort Balga: 1249 Balga, 1251 Balga, um 1325 (Peter v. Dusburg)
Balga, ad litus Balge, Balga, 1335-1341 (Nikolaus v. Jeroschin) Balge,
1377 Bal­ga, 1378 czur balge, 1379 Balga, 1383 zcur Balge, 1384 in
Balgen, 1386 czur Balge, zcur Balge, 1390 ozu der Balge, 1394 czur
Balge, 1395 Balge, 1402 Balge, 1405 Balga, 1427 von der Balge, 1428
von der Balge, 1431 tzur Balge, von der Balge, 1444 zur balge, 1455
zur Balge, 1466 Balge, 1470-80 (Dl/ugosz) item Balgam, castrum Balgam,
Balga, Balgam, de Balga, 1495 im Balgischen Gebitte, 1526-37 Balga38.
Lucas David (um 1575) war der An-sicht, daß der Name Balga sekundär
sei: "Schlos Balga erbauet siehet, welche die Preussen in Irer Sprach
Honeda nennen"39, entsprechend heißt es bei Simonas Daukantas
"vietove, Oneda, šiandien Balga, vadinama,"40.
Der Name wurde verschieden gedeutet, bei Lucas David findet sich die
Bemerkung, die Herkunft hinge damit zusammen, daß "es mit Balgen
erobert sei worden"41. Der Herausgeber der Werke von David Lucas, E.
Henning, meint dagegen: "Der Name Balga kommt ohne Zweifel von dem alt
Preuss. und litt. bala, ein Bruch, Sumpf, weil dieser Ort an einem
großen Sumpfe oder Bruche liegt, der durch das Zurücktreten des Hafs
entstanden ist, das vor Zeiten hier einen Busen bildete"42. In
ähnliche Richtung zielte W. Pier­son, der den Namen mit lit. balja
"Moorland" verband43.
Es ist jedoch verschiedentlich unterstrichen worden, daß mit großer
Wahrscheinlichkeit von dem Namen des Balger Tiefs auszugehen ist und
der ON als sekundär zu betrachten sei. In den alten Quellen ist
mehrfach davon die Rede, daß das Balger Tief von Schiffen befahren
wurde und als Hafen gedient hat. Von hieraus wird man an den schon
erwähnten alten Namen des Bremer Hafens Balge erinnert und es erhebt
sich die Frage, ob der ostpreußische Name nicht deutschen Ursprungs
ist und ob man nicht A. Rogge44, G. Gerullis45 und J. Guttzeit46, die
sich in diesem Sinn ausgesprochen haben und an eine Verbindung mit dt.
Balge "Gefäß, Wanne, Vertiefung" dachten, folgen solle. Gegen diese
Auffassung hat sich allerdings E. Bles­se nachhaltig ausgesprochen47
und darauf verwiesen, daß weitere Namen aus dem ehemals (und z.T. noch
heute) baltischen Gebiet nicht unberücksichtigt gelassen werden
dürfen. Es sind:
2. Balga, Flußname in Lettland48,
3. Pie~balga, Stadt an diesem Fluß und
4. Bologoe, Ortsname im ehem. Kreis Valdaj (dort auch Seename Bologoe
bzw. Bologovskoe; hier entspringt auch die Bologovka)50; Bologoe, ON
im ehem. Kreis Cholm, auch Balagoj (dort auch der Seename Balagoj bzw.
Bolo­goe); Balagoe, auch Bologovo, ON im ehem. Kreis Velikie Luki
(dort auch Seename Balagoe)51.
M. Vasmer hatte einen Teil dieser Namen zu russ. bologo "Heil, Wohl,
gut" gestellt52. Daran hat E. Blesse ausführlich Kritik geübt53 und
ist damit bei mehreren Linguisten auf Zustimmung gestoßen54. Vor allem
wird darauf verwiesen, daß das von G. Gerullis (und anderen)
herangezogene deutsche Appellativum balge "Wanne, Vertiefung" im
Mittelniederdeutschen bälge ausgesprochen wurde, dieses wurde ins
lettische entlehnt und hat "das Wort bal,l,a (ostlett. sogar bol,va)
'ein Faß' ergeben, ist wohl später ins lett. entlehnt worden und daher
jünger als die balt. ON. des XIII. Jh.s. (... Piebalga schon 1225)"55.
Das mittelniederdeutsche Wort ist somit nach E. Blesse nicht die
Grundlage, aus der sich lettische und nord­westrussische Namen
herleiten ließen. Da letztere den Vollaut aufweisen, müssen diese
Toponyme einer älteren Periode entstammen und können nicht erst im
Mittelalter entstanden sein. Entsprechendes gilt für den eingangs
behandelten poln. GN Bl/oga, der die Liquidametathese durchgemacht
haben dürfte.
Wenn demnach deutsche Namengebung auf Grund des Alters der poln. und
russ. ONN ausscheidet, so bleibt aber die Frage offen, ob die
osteuropäi­schen Toponyme nicht germanischen Ursprungs sein könnten,
denn nur im (Nordsee)Germanischen läßt sich offenbar ein
appellativischer Anschluß finden (vgl. oben S. 72). Wenn man sich
jedoch nochmals die Verbreitung der in Frage kommenden Namen
vergegenwärtigt (Mittelpolen, Ukraine, Nord-westrußland, evtl.
Lettland und Ostpreußen), so würde man m.E. bei der Herleitung aus dem
Germanischen einen schon früher häufiger begangenen Fehler
wiederholen56 und die Tatsache, daß es verwandte Namen in
Mittel­europa und in Osteuropa gibt, fälschlich dahingehend
interpretieren, daß die Namengeber einer Einzelsprache zugerechnet
werden müssen (in unserem Fall: dem Germanischen). Es bleibt daher
meines Erachtens die Möglichkeit, an voreinzelsprachliche Herkunft zu
denken und zwischen den germanischen Appellativen und den
osteuropäischen Namen Urverwandtschaft anzunehmen. Dazu kann unter
Umständen auch der ostpreußische Name und der lett. GN und ON
gerechnet werden, allerdings ist gerade im Fall von Balga und dem
Balger Tief jüngere (deutsche) Namengebung nicht ausgeschlossen.
Wenn wir uns nun nach der Behandlung einer Reihe von wahrscheinlich
verwandten Namen und Appellativa wieder dem polnischen GN zuwenden, so
kann das Ergebnis der Untersuchung in folgenden Punkten zusammengefaßt
werden:
1. Die Verbindung des poln. GN Bl/oga mit dem Namen der Wolga und die
damit zusammenhängende finno-ugrische Etymologie des slavischen Namens
ist unnötig.
2. Bl/oga muß zusammen mit den ukrain. GNN Bolozivka und Boloz^ivka
be­trachtet werden; der poln. Name hat demnach die Liquidametathese
durchge­macht, die ukrain. Hydronyme enthalten den ostslavischen
Vollaut. Daraus ergibt sich, daß die Namen einer älteren Schicht
zugerechnet werden kön­nen.
3. Appellativisch läßt sich im Slavischen kein sicherer Anschluß
fin­den (vgl. oben S. 71). Das Etymon wird daher in dem
nordseegermanischen Wasserwort balge zu sehen sein. Es ist auch in
norddeutschen Namen gut belegt und scheint ursprünglich eine Bedeutung
"Vertiefung, Rinne, Priel" besessen zu haben.
4. Dieses nordseegerm. Wort ist bisher ohne Etymologie. Wenn unserer
Vergleich mit den osteuropäischen Namen akzeptiert werden kann, läßt
sich eine Grundform *bholgha wahrscheinlich machen. Darin wird wohl
die Abtö­nung zu einer idg. Verbalwurzel *bhelgh- zu sehen sein und
ein Anschluß an die gut belegte idg. Wurzel *bhelg^h- "schwellen, Balg
(aufgeblasene Tierhaut) usw." (nach J. Pokorny eine Erweiterung zu
*bhel~ "aufblasen, aufschwellen, sprudeln")57 hergestellt werden können.
5. Die nordwestrussischen ONN Bologoe, die sämtlich an Seen gleichen
bzw. ähnlichen Namens liegen, können meiner Ansicht nach hier
angeschlos­sen werden-"8.
6. Auffällig ist die Verbreitung der hierzu zu stellenden Namen. Sie
erstrecken sich - grob gesprochen - über einen Bereich, der vor allem
das Baltische, Slavische und Teile des Germanischen zu umfassen
scheint. Außerhalb dieses Gebietes, das von den Niederlanden bis zur
Wolgaquelle und von Baltikum bis zur Ukraine reicht, lassen sich z.Zt.
keine Toponyme nachweisen.
7. Während die slavischen Namen mit einiger Sicherheit einer
vorslavischen Schicht zugerechnet werden können, gilt dieses für die
norddeutschen Namen (hinsichtlich einer vordeutschen bzw.
vorgermanischen Herkunft) kaum. Die Abgrenzung ist in diesem Fall
schwierig, die meisten der Namen wird man doch wohl für germanisch
bzw. niederdeutsch oder friesisch hal-ten müssen.
8. Es verdient, beachtet zu werden, daß die Bl/oga als Nebenfluß der
Pilica die westslavische Metathese aufweist, während Balga am Frischen
Haff offensichtlich sehr viel später in slavischen Mund gelangte. Auch
die bei Dl/ugosz notierten altpolnischen Belege lassen keine Spur
einer Metathese für den ostpreußischen Namen erkennen.
9. Es sei noch darauf verwiesen, daß einige weitere Namen verdächtig
sind, in einer Beziehung zu den den hier behandelten osteuropäischen
Hy­dronymen zu stehen: Balguc^ka, auch Balguc^ki, GN im ehem. Gouv.
Smolensk59, Bolgac^a, GN im ehem. Gouv. Vjatka60 (auffällig ist jedoch
der fehlende Vollaut), eher vielleicht Bologolovka, Beloganovka, GN im
ehem. Kreis Smo­lensk61; unklar ist der Zusammenhang mit dem kelt. GN
Balgaidh, der evtl. eine Grundform *Bolgodja voraussetzt52.
10. Die hier behandelten Namen und Appellativa werden uns noch einmal
beschäftigen müssen, da nicht ausgeschlossen ist, daß der zweite Teil
des schlesischen Flußnamens Osobl/oga/Hotzenplotz in einen
Zusammenhang mit ihnen zu stellen ist (s. u. S. 225ff.).

1KDM 11,37; CDPol I,87 (mit der Bemerkung: "Rivulum hic Bl/ogie dictum
esse puto, qui Piliciam prope ipsam Sulejoviam intrans, fontem suum
prope vil­lam Bl/ogie habere videtur"); CDPol II,1,380; KDM IV,135-136.
2CDPol I,23; J. Mitkowski 326; CDPol I,42, II,1,379-381; KDM
IV,135-136; M. Kamin´ska, Nazwy miejscowe dawnego województwa
sandomierskiego, T. 1, Wrocl/aw usw. 1964, S. 29.
3K. Moszyn´ski, Pierwotny zasia,g ..., S. 63-64.
4T. Lehr-Spl/awin´ski, O pochodzeniu ..., S. 82 und 198.
5T. Lehr-Spl/awin´ski 82. Bei K. Moszyn´ski 63 heißt es dazu: "dodaj
tam stru­myk Bl/ogie, wymieniony w przywileju Bolesl/awa Wstydliwego ...".
6WdrG I,181; T. Lehr-Spl/awin´ski, a.a.O.? SHU 62.
7AGZ VII,41; offenbar fälschlich als Nebenfluß des Dnjestr aufgefaßt.
8Unkorrekt SHU 62: Bl/ozwia.
9Die Belege aus SHU 62; WdrG I,164; SG I,253; T. Lehr-Spl/awin´ski 82;
AGZ VII,41; ZDM VII,125; Dl/ugosz I,83; AGZ XIV,245; AGZ V,34; AGZ
XV,123; MRPS IV,1,166 und V,2,22.
10SG I,253; RGN I,406; JFM 37.
11AGZ V,34; ZDM VIII,54.
12T. Lehr-Spl/awin´ski 82.
13M. Kamin´ska (wie Anm. 2), S. 29.
14J. Rozwadowski, S. 11, Anm. 1.
15G. Gerullis 15. Ähnlich auch M. Töppen, Neue Preußische
Provinzialblätter l(1852)82ff.
16D. Stellmacher, Göttingen, weist mich auf die Unrichtigkeit dieser
Annahme hin.
17Vgl. J. ten Doornkaat-Koolman, Wörterbuch der ostfriesischen
Sprache, Bd. I, Norden 1879, S. 87 sowie H.S. Falk, A. Torp I,45.
18F. Kluge, Seemannssprache, Halle 1911, S. 62.
19G. Kvaran Yngvason, S.48. J. ten Doornkaat-Koolman (wie Anm. 16), S. 87.
21Proceedings of the Eighth Intern. Congress of Onomastic Sciences,
The Hague-Paris 1966, S. 277.
22H. Jellinghaus, S. 14 (mit Belegen aus der Toponymie).
23Sprachschatz der Sassen, Brandenburg 1880, Bd. 1, S. 78.
24Bd. 1, S. 595.
25A. Bach II,1,168.
26M. Schönfeld, S. 34.
27Ostfriesisches Urkundenbuch, Bd. 3, S. 183.
28Nach R. Möller, S. 37.
29Material aus dem Archiv für Gewässernamen Deutschlands, Göttingen.
30G. Kvaran Yngvason, S. 48.
31D. Schomburg, Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Bremen,
Hildes­heim 1964, S. 4; vgl. auch F. Prüser, Die Balge — Bremens
mittelalterli­cher Hafen, Gedächtnisschrift für F. Rörig, Lübeck 1953,
S. 477-488.
32Schleswig-Holsteln-lauenburgische Regesten und Urkunden, Bd. 2, S.
382. Historisches Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein, Schleswig
1967, S. 63.
34A. Bach II,2,S. 278.
35H. Walther S. 274; Glossar zur frühmittelalterlichen Geschichte im
öst­lichen Europa, Serie A, Bd. 1, Wiesbaden 1977, S. 319.
36Vgl. E. Weise II,270: "Gemeint ist das nicht mehr vorhandene, Balga
ge­genüberliegende Tief (Verbindung zwischen Haff und Meer)".
37Hanserezesse Iv,605; MHW V, 350-351; Hanserezesse V,171,481,506,560;
MHW IX,603; E. Joachim, E. Hubatsch I,449 und Registerband, S. 23; W.
Ziesomer, Ämterbuch 150; SRP IV,508,520; ASPK I,142; MHW VIII,33;
Fontes 65 (1974)171.
38PUB I,165,182,192; SRP I,60,62,67,358,360; SRP III,106; MHW V,39;
SRP III,106; MHW V,110; A.F. Riedel A XVIII 236; Hanserezesse III,187;
MHW V,159,160; Hanserezesse III,501; MHW V,254; Hanserezesse IV,315;
MHW V, 349,401; MHW IX,218,223; MHW IX,285,421; Riedel B IV,339,497;
E. Weise II,272; Dl/ugosz II,275, VI,288,293, VII, 35,36,69,297; H.
Cramer 242; MHW VIII,388.
39SRP II,102.
40Rastai I, Vilnius 1976, S. 57 (frdl. Hinweis v. W.P. Schmid).
41SRP II,105-6.
42Ebda., S. 106.
43W. Pierson, Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde 10
(1873)491.
44Der ursprüngliche Name der Burg Balga, Altpreußische Monatsschrift 7
(1870)556.
45Gerullis 15; ähnlich M. Töppen, Neue Preußische Provinzialblätter
1(1852) 82ff., vgl. auch Preußisches Wörterbuch 1, Königsberg 1939, S.
379.
46In: Handbuch der historischen Stätten. Ost- und Westpreußen,
Stuttgart 1966, S. 8.
47E. Blesse, Gedanken zu russischen und baltischen Fluß- und
Ortsnamen, IV. Bologoje, BNF 4(1953)290-291.
48Ebda., S. 290; K. Buga, KR 1,422; J. Endzelin, ZfslPh 11(1934)145.
49E. Blesse, K. Buga, a.a.O.; nach Gerullis 15 aus dem Dt. zu erklären.
50WdrG I,181.
51WdrG I,77.
52M. Vasmer, Schriften I,333 und ders., REW I,103.
53BNF 4(1953)290.
54Vgl. V.A. Nikonov, Kratkij toponimic^eskij slovar', Moskva 1966, S.
59; V.N. Toporov, Voprosy Geografii 58, Moskva 1962, S. 44.
55E. Blesse, BNF 4(1953)290.
56Dagegen: J. Rieger, W sprawie wpl/ywów german´skich na
toponomastyke, w dorzeczu Sanu, Górnego Bugu i Górnego Dniestru, RS
31(1970)13-25.
57J. Pokorny, IEW I,125-126 und 120-122.
58Gegen die slav. Etymologie s. E. Blesse, BNF 4(1953)290-291, der M.
Vas­mers Deutungen aus semantischen Gründen verworfen hat. M. Vasmer
folgen E. Eichler u. H. Walther in ihrer neuesten Arbeit
Untersuchungen zur Ortsnamenkunde und Sprach- und Siedlungsgeschichte
des Gebietes zwischen mittlerer Saale und Weisser Elster ( DS 35),
Berlin 1984, s. 246.
59Toporov-Trubac^ev 176.
60Ebda., S. 177.
61Ebda.
62H. Krane, BNF 3(1951/52)158, Anm. 4.'

My Hallweg Auto-Map of Europe has several examples of *Blag- in BiH,
Rom., Yug. and Bg., which for some reason he doesn't mention.

Now the interesting part is the observation that the Bolg- and Volg-
areas are disjoint, which is this case has led some researchers to
postulate a FU substrate. This is interesting because we earlier
discussed the possibility of a b-/v- alternation as a diagnostic of
Venetic presence
http://tech.groups.yahoo.com/group/cybalist/message/59384
etc
and note a similar v-/b- alternation in the Polish instances of the
'southern foreigner' word
http://de.wikipedia.org/wiki/Welsche


Torsten