Re: Sos-

From: tgpedersen
Message: 62647
Date: 2009-01-29

> I just got 'Disputatationes ad montium vocabula' from the library.
> Here are some article titles:
>
> 'J. Devleeschouwer, Brussel, Belgien
> Uralische Spuren in Nord- und Ostgallien
>
> ====
>
> Is this to be translated as northern and eastern France ??
> Wow.
> tä tev-s af kemaftövi !
> Is this Mordvin Spuren or not ?
>

My Mordvin is a little rusty?

Anyway, enjoy:
'URALISCHE SPUREN IN NORD- UND OSTGALLIEN
von Dr. J. DEVLEESCHOUWER
Assoziiertem Forscher
der (belgischen) National Stiftung für Wissenschaftliche Forschung
Brüssel (Belgien)
Vorbemerkung. Aus Raummangel können wir manches hier nur andeuten,
nicht ausführen. Da wir allein wohlbekannte, früh belegte Strom- und
Flußnamen behandeln, begnügen wir uns meist damit, an deren
lateinische oder beste mittellateinische Form zu erinnern, und
verweisen für weiteres Material auf Gysselings Wörterbuch. Vor
gesperrte Etyma setzen wir keine Sternchen. Wegen der indogermanischen
Wurzeln, der indogermanischen Formantien bzw. der uralischen
Lautwandel verweisen wir ein für allemal auf die grundlegenden Werke
von Pokorny (l949-), Brugmann und Collinder (1960). Wir danken Herrn
Prof. B. Collinder, dem gelehrten Uralisten aus Uppsala, für die
Bereitwilligkeit, womit er uns über den Ursprung mehrerer lappischer
Wörter Auskunft erteilt hat.
Anfang 1949 entdeckten wir, daß es in Romanisch-Belgien wie in Kärnten
(s. Kranzmayer) und in andern ehemals oder bis jetzt mehrsprachigen
Landschaften Orts- und Gewässernamen gibt, welche offenbar durch
richtige oder falsche Übersetzung benachbarter Namen entstanden sind.
Da wir schon bald die Wichtigkeit solcher Übersetzungspaare oder
Dubletten für eine richtige Deutung der ältesten Namen erkannten,
bemühten wir uns, sie in ganz Belgien aufzuspüren. Wir ahnten aber
nicht, daß der Erfolg so groß wäre: 1958 hatten wir schon über 300
entdeckt (s. Verfasser 1961), und in den nächsten drei Jahren
verdoppelte sich diese Zahl. Da nun auch in den französischen
Departements Nord und Pas-de-Calais Dubletten ans Licht kamen,
beschlossen wir, unser Forschungsgebiet bis zur Somme auszudehnen.
1965 überschritt die Zahl der entdeckten Dubletten bereits die
Tausend; seitdem ist sie nicht mehr merklich gestiegen. Das
geschlossene Verbreitungsgebiet der Dubletten, dessen Grenzen jetzt
wohl endgültig feststehen, reicht ungefähr von der ältesten
historischen Sprachgrenze bis zu einer Linie, die etwas südlich von
Rue (6 km nordöstlich der Somme-bucht), Arras, Cambrai, Mons, Chimay,
Givet und Bastogne verläuft. Wirklich mehrsprachig — und zwar
hauptsächlich romanisch-germanisch — war im Frühmittelalter also nur
ein verhältnismäßig kleiner Teil Nordgalliens, der etwa das heutige
wallonische Mundartgebiet und, westlich davon, einen dem Meer
zulaufenden Streifen des pikardischen umfaßte.
Wir arbeiten z. Z. an einem etymologischen Wörterbuch der Dubletten in
Belgien und Nordfrankreich und hoffen, es um 1972 vollenden zu können.
Seit 1962 erkannten wir allmählich, daß nicht weniger als 25 Namen,
welche Nebenflüsse der Maas (lat. Mosa) bzw. Zuflüsse von deren
Nebenflüssen bezeichnen oder bezeichnet haben, keltischen Ursprungs
sind und sämtlich "Gewundene" bedeuten: z. B. Lesse (mlat. Licea,
Letia), aus kelt. l i t i a , zu idg. *lei- "biegen" (s. zur Bildung
Pedersen, und vgl. zur Lautentwicklung lat. pigritia > frz. paresse);
Ourthe (mlat. Urta), aus kelt. u r t a: < idg. *wr.ta:, zu *wer-
"drehen, biegen" (s. zur keltischen Lautentwicklung Pedersen); Niers
(mlat. Nersa), über das Romanische aus kelt. n e r e s a: , zu idg.
*ner- "drehen, winden"; usw. Diese vielen sinngleichen Namen können
wohl nur durch wiederholte richtige Übersetzung des Stromnamens
entstanden sein, so daß kelt. *Mosa: auf einem vorkeltischen Wort
beruhen muß, das gleichfalls "Gewundene" bedeutete. Da eine Wurzel
*mVs- "winden oder dgl." im Indogermanischen nicht vorkommt, muß
dieses Wort vorindogermanisch sein. Nach ergebnislosem Suchen in
baskischen, hamitischen und kaukasischen Wörterbüchern stießen wir in
Lagercrantz' Lappischem Wortschatz auf ein Verb südlapp. (Suijavaara)
ma:ssuu(HK) "sich (im Bett) wälzen, rollen", nebst -r-Erweiterungen,
welche "sich wälzen, winden, rollen" bedeuten. Nach freundlicher
Mitteilung Herrn Prof. Collinders ist das Verb aus urlapp. *mas^s^u-
entstanden, dessen *a ein älteres *ä vertreten muß. Da die Lappen nahe
verwandt sind mit den Alpinen Galliens, den kleinen, kurzköpfigen,
braunhaarigen und -äugigen Nachkommen der vorindogermanischen
Pfahlbauleute (s. schon de Quatrefages - Hamy, doch vor allem von
Eickstedt und Schreiner), glauben wir, das vorindogermanische Wort,
das dem Namen der Maas zugrunde liegen muß, von dem lappischen nicht
trennen zu dürfen. Belgien war noch zu Beginn der Metallzeit stark
überwiegend alpin (s. Bowen); ein alpines Relikt ist hier keineswegs
befremdend. Da ururalisch *ä in der ersten Silbe zuweilen mit *a
wechselte und urur. *a im Urlappischen zu *å wurde (das sich später zu
einem geschlossenen *o wandelte), kann alp. +-mosa "gewunden" (dessen
dritter Laut vielleicht noch palatal war) auf einer ururalischen
adjektivischen Grundform mas^a beruhen.
Auch die Mosel (lat. Mosella "kleine Maas"), deren Oberlauf einst der
Maas zufloß (s. Buvignier, Gardet, Lucius 1948 und 1957), müssen die
Alpinen +- m o s a genannt haben, wie aus keltischen Übersetzungen
hervorgeht, die wir hier leider nicht besprechen können.
Erhalten ist weiter der alpine Name der Schelde, wiewohl nicht zur
Bezeichnung des Stromes selbst. Da die Schelde (lat. Scaldis, mlat.
auch Scalda) im Frühmittelalter von Gent (mlat. Ganda) bis unterhalb
Antwerpens die Ostgrenze des pa:gus Ganda:vus (einschließlich des
abhängigen Waaslands) bildete (s. Piot) und ähnliche Gaunamen auf
kelt. *-a:uo-, wie Talou und Vimeu, nicht von Orts-, sondern von
Gewässernamen abgeleitet sind (s. Holder), erblicken wir in
g a n d a: zunächst den echtkeltischen Namen des Stromes, der von den
hereinbrechenden germanischen Nerviern als ein (mit altindisch gandh-
"stoßen usw." verwandtes) Wort für "Stoß" aufgefaßt (!) und zu urgerm.
s k a l ð (o,/i) - "dasselbe" übersetzt wurde (Ableitungen von dem in
dt. schalten fortlebenden Verb, s. zur Bildung Kluge 1926). In
Wirklichkeit muß der keltische Name aus idg. *ghn.da entstanden sein
(s. zur Lautentwicklung Pedersen), Nomen actionis zu der (auch in lat.
praehendere fortlebenden) idg. Wurzel *ghend- "(an)fassen, ergreifen",
und "(reißende) Flut" bedeutet haben, mit einem ähnlichen
Bedeutungswandel wie in lat. rapi:na "das Fortraffen" > afrz. ravine
"impétuosité, élan, violence", woher raviner "couler avec force",
mfrz. ravine d'eau "pluie torrentielle, crue d'eau qui en résulte"
(von Wartburg). Gleichen Ursprungs sind mehrere Flußnamen und
Appellative im Alpengebiet: "La plupart des cours d'eau des Alpes
nommés Ganda ... ont le caractère commun de rivières torrentielles"
(Bertoldi); schweizerdt.-tirolisch Gand "Geröll" und Verwandte (s. vor
allem Bertoldi, Hubschmid 1951) weisen eine Bedeutung auf, die wohl
aus "Bergsturz" entstanden ist, vgl. afrz. ravine de terre "avalanche"
(von Wartburg). (Unser Aufsatz vom Jahre 1957 ist überholt; der
Flußname Scarpe, der darin besprochen wird, ist durch falsche
Übersetzung von s k a l ð i - entstanden; Gent verdankt sein
Umlauts-ê wohl dem Einfluß von Schelde.) Der echtkeltische Name der
Schelde war selber schon eine Übersetzung, und zwar von +-sate,
alpiner Entsprechung (mit vielleicht noch palatalen Konsonanten) von
lapp. c^acce (so in Finnmark; sprich etwa t´s´ahtsi:) "water",
ostjakisch sec^ "flood in the late summer or in autumn" und jurakisch
sada "marsh (rich in water)" (Collinder 1955 und 1957), sämtlich aus
urur. *s´äc^ä (Collinder 1960): die latinisierte Form Satis
bezeichnete im Frühmittelalter noch den Oberlauf der Scarpe, eines
linken Nebenflusses der Schelde in Nordfrankreich; mit
volksetymologischer Umgestaltung zu lat. *se:nsa:ta "Verständige"
[vgl. 920 (3 Kopien des 18. Jh. von Kop. 1323) super flumen Sensadam
villam Ducentis dictam (Lauer), d. h. Duisans am Ugy, einem rechten
Zufluß der oberen Scarpe] lebt das Wort in dem Namen eines andern
linken Nebenflusses weiter, nämlich der Sensée, deren Oberlauf
ursprünglich durch den heutigen Oberlauf der Scarpe gebildet wurde (s.
Ladrière, Sosseiet) und die der Schelde damals einen "flot torrentiel"
zuführte (Gosselet), ja als deren einstiger Oberlauf betrachtet werden
soll.
Die Somme (mlat. Sumena) führt heute einen Namen, der auf kelt.
s u m e n a: "Gewundene" beruht, zu idg. *seu- "biegen, drehen"; aus
der ältesten Benennung der von ihr bespülten Stadt Amiens, kelt.
*Samar(o/a)-bri:ua: (> lat. Samar(o/a)bri:va) "Sommebrücke" (s. schon
Holder), geht aber hervor, daß sie auch den keltischen Namen samara:
"Sommerliche" (von samo- "Sommer") getragen hat (s. schon Pokorny
1940). Beide Namen haben zuerst wohl einen linken Nebenfluß der Maas,
die Sambre (mlat. Samera) bezeichnet: s u m e n a: ist eine
Übersetzung von +- m o s a ; samara eine "Übersetzung" von s u m e n
a: , irrtümlich aufgefaßt als alp. *+- sumena (mit velarisiertem
Mittelvokal) "sommerlich" (hier = "im Sommer stellenweise
ausgetrocknet"? s. De Puydt), aus urur. *sun,e "Sommer" (Collinder
1960) + -na, einem ursprünglich vielleicht mit der Lokativendung -na
identischen Formans (s. Collinder 1960). Nachdem sie von den
vorrückenden Kelten auf die Somme, gleichsam als Fortsetzung der
Sambre, übertragen worden waren, wurden sie allmählich differenziert,
bis der ältere Name nur noch jene, der jüngere nur noch diese bezeichnete.
Ob die alpinen Namen von Rhein und Seine noch fortleben, wird erst ein
gründliches Studium der Namen aller ihrer Nebenflüsse entscheiden können.
Unter den französischen Appellativen ist eines wahrscheinlich alpinen
Ursprungs, nämlich pot "Topf" (s. über dieses Wort vor allem von
Wartburg, und vgl. Kluge 1967): es beruht wohl auf p o t t e , alpiner
Entsprechung (mit schon palatalisiertem Endvokal) von finnisch pata
"cooking pot" usw. (Collinder 1955), aus ur-finnisch-ugrisch pata
(Collinder 1960). Eine systematische Überprüfung der vorromanischen
Elemente des französischen Wortschatzes würde dem alpinen Substrat
vermutlich noch andere zuweisen. So könnte gallisch petti- "Stück",
dessen Erweiterung *pettia frz. pièce ergeben hat (Hubschmid 1956,
vgl. von Wartburg), auf +-p e t k e beruhen, alpiner Entsprechung (mit
vielleicht noch palatalem *t) von finn. pätkä "stump, oblong piece"
usw. (Collinder 1955), aus urur. *pec^kä (Collinder 1960): der Anlaut
von uririsch *quetti-, Grundform von neuirisch cuid "part" (Hubschmid
1956), wäre dann durch Lautersatz entstanden (s. ähnliche Fälle bei
Pedersen).
Die nahe Verwandtschaft der alpinen Sprache mit der lappischen geht
aus der Vokalentwicklung hervor: der sichere Wandel von *ä zu *a in
der ersten Silbe eines ursprünglichen ä-Stammes, der wahrscheinliche
Wandel von *a zu *o in der ersten sowie von *ä und *a zu *e in der
zweiten Silbe des Wortes haben im Lappischen ihre genauen
Entsprechungen. Doch stimmt der Wandel von -c^- zu t (das vielleicht
noch palatal war) nicht zum Lappischen, sondern zum Ostseefinnischen.
Ur-finnisch-ugrisch *pata muß irgendwie mit vorgerm. *podo-
zusammenhängen, der zu idg. *ped- "fassen" gehörigen Grundform von dt.
Faß.
Es sollte versucht werden, auch in dem (freilich viel früher als
Belgien indogermanisierten) ältesten germanischen Siedlungsgebiet
Dubletten zu entdecken, denn diese würden eine sichere Bestimmung des
vorgermanischen Substrats ermöglichen.'

Note that the "river" name is there too.
It is tempting instead of the proposed loan translation 'Alpine Saami'
*sate- > Celtic Gand- > Germanic Skald- to see them all as coming from
a root *(s)kond-/*(s)kold- in various states of consonant cluster
reduction (note the equally confusing, almost identical "icy river"
root I proposed before).


Torsten