On Suebian expansion westwards into Germania (the Wild Hunt?)

From: tgpedersen
Message: 49692
Date: 2007-08-30

Kuhn: Germanen und Kelten am Rhein in der Zeit um Christi Geburt, in
Völker zwischen Germanen und Kelten, p. 56
"
Im ersten nachchristlichen Jahrhundert reicht das Siedlungsgebiet der
suebischen Kultgemeinschaft von der Niederelbe im Norden, den
Wohnsitzen der Langobarden, bis ins Gebiet der Donaunebenflüsse March,
Waag und Eipel im Süden, den Wohnsitzen der Quaden. Archäologisch
bildet dies Gebiet eine relativ geschlossene Einheit, faßbar an
vielerlei Merkmalen der Grabsitte, erkennbar aber auch an der
materiellen Kultur. Die alte Meinung, diese sogenannte
"elbgermanische" Kultur der Übergangszeit und des ersten
nachchristlichen Jahrhunderts sei suebisch, läßt sich also in vollem
Umfang bestätigen. Schon im letzten vorchristlichen Jahrhundert
zeichnet sich diese Kulturgruppe auf wesentlich kleinerem Raum
deutlich ab, und für die Gebiete, die sie in der Zwischenzeit
hinzugewann, ist literarisch die Einwanderung suebischer Stämme
belegt. Die Markomannen, die Livius noch für die Zeit des Drusus als
wahrscheinlich östliche Nachbarn der Chatten kannte (Orosius VI, 21;
Florus II 30), erscheinen in Böhmen (Vellejus Pat. II 108; Tacitus,
Germ. 42), die suebischen Quaden machen sich in Mähren und in der
Westslowakei breit (Tacitus, Germ. 42; Ann. II 63) (vgl. unten S. 85).
In diesem einen Falle ergibt sich also mehr als eine flüchtige
Berührung zwischen der Interpretation literarischer Quellen und der
Auswertung archäologischer Funde. Suebische Kultgemeinschaft und
"elbgermanische" Kultur sind weitgehend identisch. Dieser Tatbestand
scheint jedoch kein Einzelfall zu sein. Auch die Kultgenossenschaften
der Lugier und der Vandilier lassen sich für beide Jahrhunderte um
Christi Geburt im archäologischen Fundgut nachweisen76.
Für die Bevölkerungsverhältnisse am Rhein in der Zeit um Christi
Geburt ergeben sich damit festere Grundlagen. Das Grab von Gladbach,
Kreis Neuwied (Taf. 9, 1-7), gehört seinem kulturellen Habitus nach
zur "elbgermanischen" Kultur. Klarer als man es in manchen anderen
Fällen sagen kann, läßt sich hier feststellen: In diesem Grab wurde
eine Angehörige der suebischen Kultgemeinschaft bestattet. Ähnliches
kann man für eine Anzahl gleichartiger Bestattungen feststellen77, und
Formengut, das zur "elbgermanischen" Kultur gehört oder ihr zumindest
sehr nahe steht, läßt sich auch außerhalb der gesicherten Grabfunde im
Gebiet westlich der Leine und Weser ausmachen (vgl. Karte 7). Eine
Zuwanderung suebischer Bevölkerungsteile ist damit archäologisch
deutlich zu fassen, und auch hier fehlt die Bestätigung durch die
literarischen Quellen nicht.
Seit Poseidonios treten die Sueben ins Blickfeld der Römer, seit
Caesar werden einzelne Aktionen suebischer Stämme näher bezeichnet.
Unter den Stämmen, die Ariovist begleiteten, nennt Caesar die Sueben
und die Markomannen (B. G. I 37 u. 51); Sueben vertrieben die Usipeter
und die Tenkterer (B. G. IV 1 ff.), siedelten östlich der Cherusker
(B. G. VI 10) und machten die Ubier zinspflichtig (B. G. IV 3). Daß
Sueben damals schon Raum nach dem Westen gewannen, ergibt sich nicht
nur aus dem Abzug der Usipeter und Tenkterer. Caesar berichtet
nämlich, daß im westlichen Grenzgebiet der Sueben weite Landstriche
unbesiedelt seien, weil die dort ursprünglich ansässige Bevölkerung
dem Druck der Sueben nachgegeben habe und abgewandert sei (B. G. IV
3)78. In der Zeit nach Caesars Weggang aus Gallien wurde der Druck
offenbar noch größer. Es ist anzunehmen, daß es der zunehmende Terror
der Sueben war, der die Ubier 38 vor Chr. Geb. veranlaßte, Agrippa um
Siedlungsraum westlich des Rheins zu bitten (Strabo IV 194; Dio Cass.
48,49). Elf Jahre später drangen Sueben erstmals über den Rhein,
wurden aber von C. Carrina abgewehrt (Dio Cass. 51,21). Auch Drusus
hatte gegen suebische Stämme, unter anderen Markomannen, zu kämpfen
(Orosius VI 21). Um das Jahr 3 vor Chr. Geb. stieß Domitius
Ahenobarbus auf wandernde Hermunduren, die er im „Markomannenlande"
ansässig machte (Dio. Cass. 55,10). Noch Tiberius traf am Rhein neben
Sigambrern zunächst auf Sueben (Sueton, Augustus 21). Er besiegte sie
und siedelte sie dann zusammen mit Sigambrern links des Rheins an79.
Nicht alle diese aus dem Osten vordringenden Suebengruppen haben in
der Nähe des Rheins festen Fuß fassen können. Man darf deswegen nicht
erwarten, für jede Erwähnung von Sueben Zeugnisse im archäologischen
Fundstoff anzutreffen. Das gilt natürlich auch für andere,
nichtsuebische Gruppen auf der Wanderschaft. Umgekehrt hat nicht jede
Einwanderergruppe, auch solche nicht, die in Rheinnähe ansässig wurde,
in der schriftlichen Dokumentation der Römer ihren Niederschlag
gefunden. Keine Nachricht liegt beispielsweise für jene kleine
Fremdgruppe vor, die sich in der Mitte des letzten Jahrhunderts in der
Wetterau ansässig machte (s. oben S. 36 f.). Dies war ja keine
Suebengruppe, sondern ein Bevölkerungssplitter, der zur lugischen
Kultgemeinschaft gehörte.



76 Vgl. R. Hachmann, Archaeologia geogr. 6 (1957) 55 f. zum Begriff
"Ostgermanen".
77 K.=W. Kaiser, Mitt. d. hist. Vereins d. Pfalz 58 (1960) 35 ff.,
Abb. 1-7; Chr. Peschock, Bayer. Vorgeschichtsbl. 25 (1960) 75 ff.
78 Die wesentliche Aussage dieses vielzitierten Absatzes liegt im
zweiten Satz: "Hac re significari magnum numerum civitatum suam vim
sustinere non posse."
79 Beachtenswert ist der Gedanke E. Obermeiers, daß ein großer Teil
der Nachrichten des Ptolemaios aus der Zeit bald nach Caesar stamme;
vgl. E. Obermeier, Die Sueben in der antiken Literatur (1948) 25 ff. -
Die langobardischen Sueben südlich von den Sigambrern (Ptolemaios II
11, 6) sind in der Tat nur für die Zeit vor dem Herrschaftsbeginn des
Marbod in Böhmen verständlich.
"


Torsten